typischerVerlauf
> Definition und Ursache Das Rett-Syndrom ist eine genetische Erkrankung, die überwiegend Mädchen betrifft. Ursache für die Erkrankung ist eine Mutation in einem Gen, das eine sehr wesentliche Bedeutung in der Kontrolle der Transkription hat. Die Krankheit wurde nach dem Erstbeschreiber, Prof. Dr. Andreas Rett benannt. Das für das Rett-Syndrom verantwortliche Gen heißt MECP2. Bei den Kindern mit Rett-Syndrom werden Mutationen in diesem Gen gefunden, meist im Exon 4. Es ist für die Steuerung von vielen anderen Genen zuständig. Bei Kindern, auf die die unten beschriebenen klinischen Kriterien zutreffen, kann dann mit einer direkten Sanger Sequenzierung das MECP2-Gen untersucht werden. Die Diagnose wird nach wie vor klinisch gestellt und mit der molekulargenetischen Diagnostik ergänzt. Nicht zu unterschätzen ist, dass zahlreiche andere Erkrankungen einen ähnlichen Phänotyp zeigen können und kein Rett Syndrom sind, z.B. Mutationen im CDKL5 Gen. In Deutschland wird die Häufigkeit des Rett Syndroms auf 1:15.000 bis 1:10.000 geschätzt. > WESENTLICHE KRITERIEN DER KLINISCHEN DIAGNOSE SIND: Die klinischen, obligaten Hauptkriterien sind: 1: Partieller oder vollständiger Verlust der sinnvollen Handfunktionen 2: Partieller oder kompletter Verlust der Sprache 3: Gangauffälligkeiten, Dyspraxie oder vollständiger Verlust des Laufens 4: Entwicklung von Handstereotypien oder anderen Stereotypien. Es existieren zahlreiche fakultative Symptome: Zähneknirschen, Dezeleration des Kopfumfangs, Hyperventilation, kalte und kleine Füße und Hände, Schlafstörungen, Entwicklung einer Skoliose, muskuläre Hypotonie, Atemauffälligkeiten. Seit Oktober 1999 steht ein Bluttest zum Nachweis der Genmutation zur Verfügung und seitdem präsentiert sich das Rett-Syndrom noch vielgestaltiger. Denn der Test filtert auch die weniger typischen Fälle heraus. Die Diagnose kann mit Hilfe des Gentestes nun auch wesentlich früher gestellt werden. Dabei hat sich gezeigt, dass es auch recht milde Verlaufsformen gibt. Vereinzelt wurden Jungen mit Rett-Syndrom diagnostiziert. > Krankheitsbild und Krankheitssymptome Das typische Rett-Syndrom entwickelt sich in mehreren Stadien. Nach zunächst weitgehend unauffälliger Entwicklung kommt es zu einem Entwicklungsstillstand, in dessen Folge vorhandene Fähigkeiten und das Interesse an der Umwelt verloren gehen. Unterschieden werden 4 Stadien: > DAS FRÜHE STADIUM IM ALTER VON 6 BIS 18 MONATEN In dieser Entwicklungsphase kommt es zu einer Verlangsamung und einem Stillstand in der Entwicklung. Die Mädchen nehmen weniger Augenkontakt auf und verlieren das Interesse an Spielzeug. Die motorische Entwicklung ist langsamer bei einer muskulären Hypotonie. Dieses Stadium wird oft erst rückblickend erkannt. > DAS ZWEITE STADIUM, MEIST IM ALTER VON 1 BIS 4 JAHREN Es verläuft meist sehr dramatisch. Die betroffenen Mädchen verlieren innerhalb kurzer Zeit die bereits erworbene Sprache und Handfertigkeiten. Sie erlernen das Laufen nicht oder haben ein schwankendes Gangbild. Das Kopfwachstum kann verlangsamt sein. Die Mädchen sind ängstlich und irritiert, weinen, schreien und beginnen mit stereotypen Handbewegungen. Viele zeigen autistische Züge und ihre kommunikativen Fähigkeiten sind stark beeinträchtigt. Diese Phase ist für die Eltern hoch dramatisch, da der Verlust erworbener Fähigkeiten immer sehr beängstigend und der emotionale Kontakt zu den Mädchen nur sehr schwer herzustellen ist. Wie lange die Phase dauert ist unklar und kann zwischen Wochen und mehreren Monaten liegen. Danach stabilisiert sich der Zustand meist sind die Kinder sozial wieder zugänglicher und machen kleine Entwicklungsfortschritte. Sie bleiben allerdings ihr Leben lang sehr behindert.
> DAS DRITTE STADIUM Hier tritt eine relative Stabilisierung ein und die Kinder erlangen wieder einzelne Fähigkeiten, die insbesondere ihre Kommunikation und kognitiven Fähigkeiten betreffen. Die Mädchen werden ruhiger und öffnen sich wieder für ihre Umwelt. Schwierig bleibt die Informationsverarbeitung: der „Input“ funktioniert gut, aber ein großes Problem ist der „Output“. Durch Augenkontakt und mit Hilfe „Unterstützter Kommunikation“ kann es den Mädchen und Frauen gelingen, sich zu verständigen. Die motorischen Fähigkeiten können weiter stark eingeschränkt bleiben, epileptische Anfälle und Atmungsauffälligkeiten treten häufig auf. Besonders problematisch kann die Entwicklung einer Skoliose sein. Dieses Stadium kann über Jahre andauern.
> DAS SPÄTE STADIUM Hier stehen Komplikationen im Vordergrund. Eine nicht gut behandelte Skoliose oder Epilepsie können anhaltende Probleme bereiten. Es können Parkinson-ähnliche Symptome auftreten und im jungen Erwachsenenalter depressive Verstimmungen.
Die Lebenserwartung ist prinzipiell nicht eingeschränkt, obwohl die Sterblichkeit offenbar leicht erhöht ist. Plötzlichen Todesfälle, von denen vereinzelt berichtet wird, werden beschrieben, die Ursache ist nicht eindeutig geklärt. > Wie kann man das Syndrom erkennen? Die Diagnose eines Rett-Syndroms wird dadurch erschwert, dass alle beschriebenen Symptome in ganz unterschiedlicher Ausprägung bei fast allen Kindern auftreten können. Bei Kindern mit Entwicklungsrückschritten, insbesondere bei Mädchen empfiehlt sich die molekulargenetische Diagnostik. > Behandlung & Therapie Es gibt bisher keine Therapie, die das Rett-Syndrom heilt. Dennoch gibt es unterstützende Therapien, die einige Bereiche bzw. Teilgebiete der Mehrfachbehinderung günstig beeinflussen können. Dabei ist es sinnvoll, einzelne Therapien – insbesondere Ergotherapie, Hippotherapie, Logopädie, Physiotherapie- zu kombinieren, jedoch ohne das Kind oder die Eltern zu überfordern. Die Epilepsie ist in der Regel medikamentös gut einstellbar. Bei schweren, unbeherrschbaren Epilepsien kann z.B. auch eine ketogene Diät versucht werden. Hierfür ist aber eine gute Diätberatung und eine ständige ärztliche Betreuung notwendig. Weitere mögliche Therapien wie z. B. Basale Stimulation, Cranio-Sakral-Therapie, Dorn-Methode, Breuss-Massage, Hydrotherapie, Musiktherapie sowie die Sprachtherapie sind in ihrer Wirksamkeit nicht belegt.
Mithilfe der „Unterstützten Kommunikation“, können die Rett-Mädchen und Frauen mit Bild- und Wortkarten, mit Tastern, Tablets oder PC mit Augensteuerung ihre Wünsche äußern, alleine oder mit anderen spielen und in ihrem Umfeld mitbestimmen. Ohne Kommunikationsmöglichkeiten bleiben viele Fragen, Missverständnisse und Frust bei den Betroffenen bestehen. Diese Möglichkeit zum Austausch trägt daher auch zu deren Zufriedenheit und Wohlbefinden bei. > Förderung / Beratung der Familien Für eine gute Betreuung und Versorgung der Familien sind das Zusammenspiel unterschiedlicher Stellen und Maßnahmen notwendig: Neuropädiatrie - Sozialpädiatrie (später Neurologie - MZEB), Schwerpunktpraxen, Heilmittelversorgung, Sozialberatung, psychologische Betreuung, mit den speziellen Problemen erfahrene Orthopädie sowie die Hilfsmittelversorgung. Rett Deutschland e.V. - Elternhilfe für Kinder mit Rett-Syndrom vermittelt Kontakte zwischen betroffenen Eltern und bieten regionale und überregionale Treffen mit Fachvorträgen an und vernetzen alle Betroffenen und Interessierten. Es werden Fortbildungen für Pädagogen, Therapeuten und Ärzte durchgeführt. Durch die Teilnahme an Kongressen, Symposien und Fachmessen wird das Erfahrungswissen bekannt gemacht und vermittelt.
Ansprechpartnerin für Eltern - kostenlose Beratung Tamara Philippi
Weitere Infos finden Sie hier: Springer - Verlag: das Rett-Syndrom und seine VariantenVideos |